Ralf Rothmann, geboren am 10. 5. 1953 in Schleswig. Seine Kindheit verbrachte er in Oberhausen, der Vater arbeitete im Bergbau als Kohlenhauer. Nach Abschluss der Volksschule und einer Maurerlehre versuchte sich Rothmann in verschiedenen Berufen: als Koch, Krankenpfleger und Drucker. Ralf Rothmann war „writer in residence“ am Oberlin-College in Ohio und an der New York University, „poet in residence“ an der Universität Essen (WS 1999/2000). Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin.
* 10. Mai 1953
von Andreas Erb
Essay
Es gehört zu den Ausnahmen des Literaturbetriebs, dass sich ein junger Autor mit seinem Erstlingswerk, dazu noch mit einem Lyrikbändchen („Kratzer“, 1984, erweiterte Neuauflage 1987), das ungeteilte Lob der Kritik erschreibt. Ausgangspunkt der Gedichte Ralf Rothmanns ist zumeist eine Folge von Verletzungen, die von autoritären Instanzen zugefügt werden, vor allem von der Familie als Teil der repressiv erfahrenen Nachkriegsgesellschaft. Dementsprechend wird in „Kratzer“ das Leben beschrieben als eines zwischen dem „Gemetzel von gestern“ und dem „Röcheln von morgen“. Auf der einen Seite schmerzen eben jene Kratzer, die in der Jugend erlitten wurden („die Kindheit, / eine Prügelstrafe“). Auf der anderen Seite steht die Aussicht auf eine sich kaum verändernde Welt: „wie üblich“ verharren die Männer in ihren Körperpanzern, und die Frauen fügen ...